Frau Kampers, Sie haben zwei Geflüchtete eingestellt. Wie kam es dazu?
UK: Wir sind im Oktober 2015 von der Kreishandwerkerschaft Vechta angefragt worden, ob Nordluft Geflüchteten ein Praktikum anbieten könne. Dem Unternehmen war schnell klar: Wir müssen einen sozialen Beitrag leisten. Und: Wir wollten direkt zwei Geflüchtete aufnehmen. Nachdem ich mich mit der Kreishandwerkerschaft erneut in Verbindung gesetzt hatte, ging alles ganz schnell: Noch am selben Tag sprachen wir mit Tamer, Umar und ihrer Betreuerin des Caritas-Sozialwerks aus Lohne, bei dem beide in Obhut waren.
In Obhut heißt, dass Tamer und Umar als unbegleitete Minderjährige nach Deutschland gekommen sind?
UK: Ja, Tamer war 16 und Umar 17 Jahre alt. Hier in Deutschland hat Tamer einen Bruder und einen Onkel. Große Teile seiner Familie sind noch in Unterkünften in der Türkei. Umar ist allein in Deutschland und hat zu seiner Familie in Pakistan nur spärlich Kontakt über einen Cousin.
Eine schwierige Situation. Wie haben Sie die beiden in dem ersten Gespräch erlebt?
UK: Tamer und Umar waren verschüchtert, teilweise verängstigt und hatten kein Selbstbewusstsein. Sie sprachen kein Deutsch und auch Englischkenntnisse waren kaum vorhanden. Am Anfang wussten wir nicht, wie das funktionieren soll. Wir haben uns dennoch entschieden, Tamer und Umar ein Praktikum zu ermöglichen und zwei junge Menschen in den Betrieb zu integrieren. Gerade weil sie allein waren und Hilfe brauchten. Vorab war uns jedoch wichtig, die Belegschaft ins Boot zu holen.
Und wie hat die Belegschaft reagiert?
UK: Wir haben unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Tag nach dem Gespräch mit Tamer und Umar auf einer Betriebsversammlung über unser Vorhaben informiert. Zunächst gab es an einigen Stellen durchaus skeptische Stimmen. Doch nachdem die beiden ihr dreimonatiges Praktikum im Oktober 2015 begonnen haben, hat sich die Skepsis sehr schnell gelegt: Aus Geflüchteten wurden Kollegen.
Wie lief es dann im Arbeitsalltag?
UK: Es war deutlich, dass Tamer und Umar sehr lernwillig sind und sich beweisen wollen. Die Deutschkenntnisse haben sich enorm verbessert, auch untereinander unterhalten sich Tamer und Umar auf Deutsch. Zudem haben wir schnell festgestellt, dass beide ein Talent für das Handwerk haben.
Gab es neben den fachlichen Fortschritten auch andere Entwicklungen, die Sie bemerkt haben?
UK: Ja, das Praktikum hat die beiden sehr gestärkt. Tamer ist am Ende auf mich zugekommen und hat gefragt, ob er eine Ausbildung in unserem Unternehmen machen dürfe. Da haben wir nicht lange überlegt und zugesagt. Auch Umar haben wir eine Ausbildung angeboten, der ebenfalls sofort Feuer und Flamme für diese Idee war.
Konnten Sie Tamer und Umar bei dieser Entwicklung unterstützen?
UK: (lacht) Ich kann Ihnen sagen, ich bin quasi die Ersatzmutter, die "Big Mom". Ich unterstütze die beiden auch bei privaten Dingen, beispielsweise bei der Wohnungssuche. Bürokratische Gänge erledigen sie mittlerweile selbstständig. Zugleich gilt natürlich, dass das Unternehmen der gesamten Belegschaft gerecht werden muss. Und: Wir packen Tamer und Umar auch nicht in Watte. Wie für alle bei Nordluft gelten auch für sie unsere Unternehmenswerte Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und Pünktlichkeit. Das haben beide schnell verinnerlicht. Sie sind auf einem sehr guten Weg.
Wie geht es für Tamer und Umar bei Nordluft jetzt weiter?
UK: Im Januar 2016 haben die beiden ihr Praktikum bei Nordluft abgeschlossen. Danach waren sie für ein Jahr auf der Sprachschule hier in Lohne. In dieser Zeit haben wir den Kontakt zu Tamer und Umar gehalten: Sie haben zum Beispiel in den Ferien im Unternehmen gejobbt und sind bei dem Sommerfest und der Weihnachtsfeier dabei gewesen. Seit Februar dieses Jahres absolvieren sie eine Einstiegsqualifikation vom Jobcenter und starten dann im August 2017 die Ausbildung im Metallbau bei Nordluft.